Klinikum Chemnitz und Fraunhofer ENAS kooperieren bei Forschung zur Früherkennung von Krebs
| Datum: Montag, den 04.11.2024 um 15:00 Uhr
Das Klinikum Chemnitz und das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS in Chemnitz forschen jetzt gemeinsam an neuen Verfahren zur Früherkennung von Krebserkrankungen. Dabei wird radiologische Bildgebung mit Künstlicher Intelligenz (KI) verzahnt. Mit der sogenannten „Radiomics“-Methode, eine Wortkombination aus Radiology (Radiologie) und Genomics (Genomik), können detaillierte Eigenschaften von Tumoren wie Textur-, Form- und Intensitätsmerkmale aus radiologischen Befunden wie CT- oder MRT-Aufnahmen extrahiert werden. Über einen Abgleich mit labormedizinischen Ergebnissen und deren molekularen oder genetischen Informationen lässt sich eine Diagnose künftig schneller und sicherer stellen, ohne dass ein invasiver Eingriff nötig ist. Ziel der engen Kooperation zwischen dem Maximalversorger und der Forschungseinrichtung ist, neueste medizintechnische Forschungserkenntnisse zügig in die klinische Anwendung zu überführen, um die Diagnostik von Tumoren weiter zu verbessern.
„Liegt ein anfänglicher Verdacht auf eine Krebserkrankung vor, kommen häufig bildgebende Untersuchungsverfahren wie die Magnetresonanztomografie (MRT) oder die Computertomografie (CT) zum Einsatz. Endgültige Gewissheit, ob es sich bei auffälligen Veränderungen tatsächlich um einen bösartigen Tumor handelt, kann nur eine anschließende Biopsie bringen. Dabei wird eine Gewebeprobe aus dem betroffenen Areal entnommen und histopathologisch im Labor untersucht. Auf diese Weise kann der medizinische Verdacht weiter abgeklärt und letztlich eine geeignete Therapieentscheidung getroffen werden“, sagt PD Dr. med. habil. Dieter Fedders, Chefarzt der diagnostischen und interventionellen Radiologie am Institut für Radiologie und Neuroradiologie des Klinikums Chemnitz.
Invasive Eingriffe wie Biopsien sind jedoch häufig zeit- und ressourcenintensiv. Zudem müssen Patienten oft mit Wartezeiten von mehreren Tagen rechnen, bis die Gewebeproben im Labor analysiert wurden und ein gesicherter Befund vorliegt. Mit der „Radiomics“-Methode werden diese Wartezeiten verkürzt und Untersuchungen auf ein Minimum reduziert. Darüber hinaus ermöglicht die Verknüpfung aller verfügbaren Informationen, bösartige von gutartigen Strukturen präziser zu unterscheiden und somit die Genauigkeit und Zuverlässigkeit von Diagnosen zu verbessern – und das ganz ohne operativen Eingriff.
Um auf radiologischen Bildern Hinweise auf eine Krebserkrankung zu erkennen, bedarf es gut ausgebildeter Mediziner mit geschultem Auge und langjähriger Expertise. Feinste Veränderungen, die sich nur marginal vom umliegenden Gewebe abheben, sind allerdings auch für erfahrene Radiologen mitunter schwer zu erkennen. Dabei können etablierte KI-basierte Methoden im Sinne einer Zweitmeinung unterstützen. Diese ermöglichen es, riesige Datenmengen schnell zu analysieren und darin Muster zu erkennen. Gegenwärtig werden häufig nur Bilddaten ausgewertet, ohne weitere Parameter, darunter Patienten- und Labordaten, zu berücksichtigen.
„Als Fraunhofer ENAS verfügen wir über umfangreiche Erfahrungen in der Entwicklung ausgeklügelter Methoden des maschinellen Lernens und von KI-Modellen. Der Einsatz von mathematischen Verfahren in der radiologischen Bildgebung kann Medizinerinnen und Mediziner zwar nicht ersetzen, sie jedoch in ihrer Urteilsfindung schnell und äußerst patientenschonend unterstützen“, erklärt Dr.-Ing. Mario Baum, Leiter der Abteilung „Health Systems“ am Fraunhofer ENAS, der die Kooperation mit dem Klinikum Chemnitz initiierte.
Mit der „Radiomics“-Methode lassen sich nun auch Behandlungsergebnisse vorhersagen, die zur Planung personalisierter Therapien eingesetzt werden können. So kann die Analyse von Bilddaten in Kombination mit soziologischen Parametern, beispielsweise Alter, Geschlecht und Wohnort, sowie klinischen Werten, wie Vorerkrankungen und Überlebenszeit, Aufschluss darüber geben, wie gut ein Patient auf bestimmte Behandlungen ansprechen könnte. Basierend auf diesen Informationen können maßgeschneiderte Therapiepläne aufgestellt werden, die optimal auf die Patienten zugeschnitten sind und den Behandlungserfolg verbessern.
Die Reduktion der Daten auf die Parameter, die tatsächlich einen entscheidenden Einfluss auf den Krankheitsverlauf oder die Therapieprognose haben, sowie die Bewertung der Interpretierbarkeit der Ergebnisse ist Teil der künftigen Forschungsarbeit. Neben der verbesserten Diagnostik von Krebserkrankungen haben die Forschenden das Ziel, anderen Gewebeerkrankungen mit „Radiomics“ schneller auf die Spur zu kommen. So sollen auch Lungenembolien, bei denen Gefäße in der Lunge lebensbedrohlich verstopfen, noch einfacher erkannt werden.